Die 10 Forderungen der Studierenden am St. Germanshof 6. August 1950
Nach der erfolgreichen Aktion versammelten sich die Demonstranten auf der Wiese zwischen der Zollstation und dem Bach Wieslauter um ein Feuer, in welchem die Reste der Zollschilder und des Schlagbaumes verbrannten. Feierlich wurde dort die vorbereitete und handschriftlich gegengezeichnete Proklamation “Europa ist Gegenwart” verlesen. Unter anderem Mouskhély, Jean Sommier und Marcel Mille hielten Ansprachen und betonten die Bedeutung der Aktion. Auch der ehemalige Minister André Philip ergriff das Wort und lobte die Demonstranten. Nach einer Schweigeminute traten die Studenten einzeln vor und bekannten sich mit einem kurzen Satz zu Europa. Auszug aus den Forderungen der 300 europäischen Studenten an die Regierungen, die Parlamente Europas und die Straßburger Versammlung vom 06. August 1950:
- Schaffung eines föderalen europäischen Bundesstaates
- Bildung eines Europäischen Parlaments
- Bildung einer Europäischen Regierung
- Ausgabe einer europäischen Kennkarte, die eine freie Ein- und Ausreise in alle Europäischen Länder ermöglicht, ohne indessen die verschiedenen Niederlassungsbestimmungen der europäischen Länder zu verletzen.

Das Europa-Memorandum 6. August 2021
Am 6. August 1950 haben sich über 300 Student*innen aus vielen europäischen Regionen in einer „verdeckten“ Aktion auf den Weg zum St. Germanshof in der Südpfalz an der deutsch-französischen Grenzen gemacht, um dort ihre Vorstellungen eines vereinten, friedlichen föderalen gemeinsamen Europas öffentlich zu machen. Im Rahmen dieser Protestaktion wurde ein „europäisches Manifest“ verlesen. Der Inhalt dieser „Studenten-Proklamation“ kann auch heute noch als Blick in die Zukunft betrachtet werden. 71 Jahre später am 6. August 2021 erinnern wir in einer Veranstaltung an die Verlesung der Studentenproklamation und die Geschichte des Studentensturms. Erinnerung aus der Vergangenheit im Aufbruch für die Zukunft. Einheit in Vielfalt und gegenseitiger Akzeptanz. Voraussetzung hierfür kann nur die freiwillige Hinwendung zu einem föderalen Europa der Regionen sein: lokal – regional – national – europäisch – global. Hierfür haben die Student*innen am 5. August 1950 ihre Stimme am St. Germanshof erhoben.





Unter Beteiligung von Zeitzeugen und Menschen, die sich für Europa engagieren, spielen die Jungen Europäischen Förderalisten Rheinland-Pfalz und Saarland die Geschichte des Studentensturm nach. Nach dem „lebendig werden“ der Geschichte folgt ein Blick in die Zukunft: Es wird das Europa Memorandum „Europa ist Gegenwart und Zukunft“ verlesen, in dem viele europäisch orientierte Menschen ihre Werte und Ideen für ein neues Europa formuliert haben. „Für e i n Europa, das europäische Ideen Wirklichkeit werden lässt, für die Zukunft weiterentwickelt, Sinnstiftendes bewahrt und garantiert. E i n Europa, das globale Verantwortung in sozialer und ökologischer Hinsicht für die Gegenwart und die Zukunft übernimmt.“ Eingebettet in diese zwei Kernthesen werden 19 Visionen eines neuen Europa formuliert.
Europa ist Gegenwart und Zukunft

I . B L I C K Z U R Ü C K – D E R H I S T O R I S C H E R A H M E N
Die Integrität der europäischen Union wird derzeit von autokratischen Regierungen von außen, aber auch von demokratie- und rechtsstaatsfeindlichen Strömungen von innen bedroht. Viele Parteien haben im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 das Thema Europa „wieder“ entdeckt: Die Mehrheit der demokratischen Parteien sehen in ihren Wahlprogrammen ein „Mehr Europa“ als Lösung auf die Bedrohungen des europäischen Projektes. Konkrete Lösungen unterscheiden sich aber durchaus deutlich. Die Konferenz zur Zukunft Europas, veranstaltet von der Europäischen Kommission, übt sich in einer europaweit einzigartigen transparenten Bürgerdebatte zur Weiterentwicklung der europäischen Idee.
Am 6. August 1950 – weit vor den Studentenprotesten von 1969 – haben sich über 300 Studierende aus vielen europäischen Regionen in einer „verdeckten“ Aktion auf den Weg zum Germanshof in der Region Südpfalz/ Wissembourg gemacht, um dort ihre Vorstellungen eines föderalen gemeinsamen Europas öffentlich zu machen. Im Rahmen dieser Protestaktion wurde ein europäisches Manifest
“Europa ist Gegenwart!”1 verlesen. Es handelt sich nicht um das einzige paneuropäische Manifest: bekannt sind das Paneuropäische Manifest von Richard Coudenhove-Kalergi (1923)2, Für Europa. ein Manifest (2012)3 und das RomeManifesto (2017)4, um nur einige zu nennen. Der Inhalt der ersten „Studenten-Proklamation“ von 6. August 1950 wird auch heute noch als weitsichtiger Blick in die Zukunft betrachtet.
Auf Grund der Erfahrungen der Kriege auf europäischem Boden trafen sich am 6. August 1950 jungeStudierende aus vielen Europäischen Ländern an den Grenzen: diesmal nicht, um sich zu bekämpfen oder zu töten, sondern um in Respekt und gegenseitiger Anerkennung die Beseitigung eben dieser Grenzen zu verlangen. Das ständige Blicken in vermeintlich bessere Zeiten und das Verhaften im ewig Gestrigen führt nicht zu einer gemeinsamen integrierten europäischen Identität in der Vielfalt der lokalen, regionalen und nationalen Eigenheiten.
I I . B L I C K I N D I E Z U K U N F T
Die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten5 und die Charta der Grundrechte der Europäischen Union6 beinhalten die Grundwerte einer gemeinsamen europäischen Identität. Dadurch ist Europa der aktive Garant für Frieden und Freiheit, für Vielfalt, nachhaltige Ökologie, soziale Sicherheit und Wohlstand.
Jedoch muss das Projekt Europa zukunftsweisend und innovativ in die Zukunft fortgeschrieben werden. Nicht nur die wirtschaftlichen Interessen dürfen im Mittelpunkt der europäischen Überlegungen stehen. Grundlegend ist eine gemeinsame europäische Identität der Menschen und Staaten, die sich in einem gemeinsamen föderalen Bundesstaat Europa mit einer gemeinsamen Verfassung niederschlagen soll.
Europäische Kompetenz muss sich in Zukunft verstärkt in der Lebenswelt der Bürger*innen in Europa wiederfinden: Die Zukunft ist so zu gestalten, dass die Bürger*innen in einem präsenten föderalen Europas rational und emotional persönlich beteiligt sind. Dabei gilt es das gemeinsame kulturelle und gesellschaftliche Erbe Europas zu bewahren, zu fördern und in die Zukunft zu tragen. Die Überwindung von Vorurteilen, Nationalismen und Partikularinteressen muss in Europa Vorrang haben. Wir leben nicht alleine zusammen. Lassen wir uns von den Wirklichkeiten überraschen – und daran lernen. Gemeinsames Denken und Fühlen schafft neue geistige aber auch reale Netzwerke. Ein friedvolles und gleichberechtigtes Miteinander von vielfältigen und bunten Menschen in den Regionen Europas mit ihren Kulturen muss im Zentrum der Bemühungen stehen. Betonen wir nicht das, was uns trennt, sondern das, was uns verbindet. Sehen wir selbstbewusst und wohlwollend auf unsere so vielfältige bunte und lebensfrohe europäische Kultur und Lebenswelt. Allein durch den Focus auf die verbindenden europäischen Werte werden der Friede und unsere gemeinsame europäische Kultur auf Dauer geschützt und erhalten.
Europa und seine Institutionen sind in unserer Gegenwart neu und zukunftsweisend zu re- konstruieren. Individuelle und gesellschaftliche, europäisch ausgerichtete Kompetenzen müssen auf allen europäischen Ebenen gestärkt werden.Europa ist kein Projekt einer Generation – ein starkes vereintes Europa ist ein Regionen- und Generationen übergreifendes Projekt: Zeitzeugen, Baby-Boomer, die Generationen X und Y und die Millennials – alle wollen ein starkes, grenzenloses Europa leben. Europa ist kein Projekt der Vergangenheit, sondern lernt aus ihrer wechselvollen Geschichte. Europa ist zukunftsorientiert und innovativ:
Wir sind die Generation Europa im Hier und Jetzt für die Zukunft…
1 Heister M W M. Der Studentensturm auf die Grenzen 1950. Iduso: Bonn, 2015.
2 Edition Europa, Kapitel 2, Ausgewählte Dokumente zu den Verfassungsentwürfen von 1923 – 2000.
http://vv.varzil.de/II-36.PDF?
3 Cohn-Bendit D; Verhofstadt Guy. Für Europa. Ein Manifest. Hanser Verlag, 2012.
4 https://www.united-europe.eu/de/roemisches-manifest/das-manifest/; abgerufen am: 2021-07-17, 10:15.
5 https://www.echr.coe.int/documents/convention_deu.pdf; abgerufen 2021-07-17, 11:08.
6 https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf, abgerufen 2021-07-17, 11:09.

Das Projekt “föderales Europa” der Regionen
Die Europa-Initiative St. Germanshof plant zum 75. Jubiläum des Studentensturms 2025 eine Revision des Europa-Memorandums.
Mehr demnächst hier…
